WDR, BR | 65 min, 2003

Als Heinrich Schoeneich in München seine Koffer packt, brechen zur gleichen Zeit in Burma Kinder aus abgelegenen Dörfern auf. Sie werden im Krankenhaus auf Schoeneich warten. Unter ihnen ist Nitinte, ein kleines Mädchen, das im letzten Moment aus einer brennenden Bambushütte gerettet worden war. Doktor Schoeneich ist Schönheitschirurg. Neun Monate im Jahr geht er Tag für Tag in seine Münchner Privatpraxis und macht Lidstraffungen, Brustvergrößerungen, aber auch Narbenbehandlungen und Tumoroperationen. In seinem Urlaub operiert Schöneich seit zehn Jahren arme Menschen in Burma, Afghanistan oder Nigeria. Dafür wird er immer öfter angegriffen und muß sich rechtfertigen. Was treibt einen Schönheitschirurgen, der hier alles hat, in den Regenwald, um dort zu operieren? Sein Helfersyndrom? Abenteuerlust? Gar sein schlechtes Gewissen?

Stab

Buch/Regie: Andrea Schramm
Kamera: Bernd Meiners
Ton: Pascal Capitolin
Produktion: Jörg Bundschuh, Kick-Film München

Rezensionen

Tropfen im Meer:
Das zweite Leben von Doktor Schoeneich

„… Mit der Dokumentation „Das zweite Leben von Doktor Schoeneich“ widmet sich die Regisseurin Andrea Schramm der „zweiten“ Seele eines Menschen, auf dessen Leben diese Gespaltenheit zutrifft wie auf wenige: Heinrich Schoeneich. In seinem „ersten Leben“ verhilft der plastische Chirurg von Alterserscheinungen gekennzeichneten Patienten in seiner Münchner Privatpraxis zu neuer Schönheit. In seinem „zweiten Leben“ operiert er in seinem Urlaub die Armen in Afghanistan, Nigeria und Burma. Die Filmautorin Andrea Schramm hat Schoeneich auf einer Reise nach Burma begleitet. Zwei Wochen lang operiert das Team aus vier Chirurgen, drei Anästhesistinnen und mehreren Schwestern, an vier Operationstischen gleichzeitig. Ihr Tun und dessen Umstände zu dokumentieren, das bedarf in diesem Film nur weniger Worte. … Aus dem ganzen Land kommen die Patienten in die burmesische Hauptstadt Rangun, um sich von Doktor Schoeneich helfen zu lassen. Die Kamera nähert sich ihnen behutsam, zeigt ihre Leiden aus respektvoller Distanz und ist trotzdem schonungslos. Sie zeigt das Leid in einem Ausmaß, dessen ein einzelner Arzt und sein Team niemals Herr werden. Zwei Jungen, deren Beine durch Vitamin-B-Mangel völlig deformiert sind, muß Schoeneich wieder wegschicken. Die Sequenz, in der die Jungen ihre Körper auf ihren Händen mühsam über den Flur schleppen, dehnt sich ins Unendliche. Man vergießt  sie nie. Der Film ist schon fast zu Ende, als einige wenige Eindrücke aus der Münchner Praxis des Doktor Schöneich dokumentieren, was hierzulande sein medizinischer Alltag ist. Da geht es um Brustvergrößerungen und Lidstraffung und Schönheitswehwechen, die in ihrer Belanglosigkeit schon fast etwas Unwirkliches haben. Dem Arzt selbst gibt der „Tropfen auf den heißen Stein“, wie er seinen „kleinen Beitrag“ für eine bessere Welt in Burma und andernorts nennt, das positive Lebensgefühl, das er benötigt, um in München an der „Verschönerung“ hiesiger Körper zu arbeiten. Wie lange er diesen inneren Konflikt noch aushält, weiß er nicht. Auch das fasst Andrea Schramm in ihrem Film eindringlich in Bilder.“

Sandra Theiss | Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.9.2002